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Historische Kinderkleidung?
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Gab es die überhaupt? Ist das nicht schädlich? Lohnt sich das?
“Früher gab es keine Kinderkleidung, Kinder trugen bloß kleine Erwachsenenkleider”. Diesen Satz hört man immer wieder, aber er ist falsch.
Nur für unsere modernen Augen sehen Kinderkleider und Erwachsenenmode vergangener Jahrhunderte gleich aus. In Wirklichkeit kann man von der Römerzeit an auf Abbildungen Kinderkleidung nachweisen, die
jeweils im Rahmen der herrschenden Mode ganz spezifische Merkmale aufweist, die eben nur der Kinderkleidung eigen waren.
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Ganz entgegen unserem ersten Eindruck sind viele Stücke tatsächlich auch erstaunlich praktisch, so erlauben beispielsweise die langen Säuglingskleidchen leichten Zugang zum Windelpaket, und lassen dem Baby
Beinfreiheit zum Strampeln, verhindern aber gleichzeitig ein Abstrampeln und halten so die kleinen Beinchen warm. Eigentlich sollte uns das aber nicht verwundern, schließlich waren die Leute früher auch nicht auf
den Kopf gefallen, und haben auch damals schon Probleme erkannt und nach entsprechenden Lösungen gesucht.
Richtig ist, daß Kinderkleidung erst seit der frühen Neuzeit tatsächlich auch den wirklichen Bedürfnissen der Kinder Rechnung trägt, und nicht nur dem allgemeinen Repräsentationsbedürfnis und der
praktischen Kinderpflege. Einige Gepflogenheiten aus früheren Zeiten sind deshalb heute nicht mehr vertretbar, da sie Gesundheit und Wohlbefinden des Kindes deutlich beeinträchtigen. In diesen Fällen ist es
unabdingbar, bezüglich der historischen Akuratesse Kompromisse zu Gunsten des Komforts und der Gesundheit des Kindes einzugehen.
Eines allerdings hatten alle historischen “Kindermoden” gemeinsam: Um zu verhindern, daß die Kinder allzu schnell aus ihren Kleidern herauswuchsen, wurden die Kleidungsstücke extrem größenvariabel gearbeitet.
Flexible Verschlüsse wie Zugbänder und Schnürungen ließen Kinderkleidung in der Weite mitwachsen, und die “hübschen Biesenverzierungen” am Saum waren nichts weiter als Stoffreserven für das Längenwachstum des
Kindes. Deshalb kann Kinderkleidung nach historischen Vorbildern weit länger getragen werden, als modern geschnittene Kleidung für Kinder.
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Welche Auswirkungen hat all dies auf rekonstruierte historische Kinderkleidung von Arts et Metiers?
Nach gründlicher Recherche fertige ich echte Kinderkleidung an, nicht bloß miniaturisierte Erwachsenenkleidung der jeweiligen Epoche. Ich habe sorgfältig ausprobiert, was technisch machbar, was für die Kinder tragbar
und was im Gebrauch praktisch ist. Bei der Herstellung historischer Kinderkleidung halte ich mich an folgende Grundsätze:
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Erstens: Sie muß gesundheitlich unbedenklich sein. Bei der Rekonstruktion von Kinderkleidung lege ich strenge gesundheitliche Maßstäbe an, um Beeinträchtigungen der Kinder durch die Kleidung
auszuschließen. Im Zweifelsfall, wie zum Beispiel bezüglich des Tragens von Holzschuhen durch Kleinkinder, habe ich Ärzte befragt, um die völlige Unbedenklichkeit sicherzustellen. Zwar verwende ich
historische Schnitte, achte aber immer darauf, den Kindern genügend Bewegungsfreiheit einzuarbeiten. In verschiedenen Epochen gehörten beispielsweise winzige Korsetts zur Ausstattung schon kleinster
Kinder, und dienten unter anderem dazu, eine schmale Taille zu erzielen. Die nachgearbeiteten Stücke tun dies nicht, sie erfüllen lediglich ihren Zweck als “Hosenträger” für Pantalons oder
Unterröcke, und fixieren die Chemise. Auch beim Pucken (oder historisch: Fatschen) müssen die Bedürfnisse und Gewohnheiten des Säuglings bedacht werden, und gegebenenfalls Rücksprache mit der betreuenden
Hebamme/dem Kinderarzt gehalten werden.
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Kinderunterwäsche
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Zweitens: Die Kinder müssen sich in der Kleidung wohl fühlen. Es soll Spaß machen, historische Kleidung zu tragen. Sie muß also bequem zu tragen sein, und soll die kleinen Träger entweder vor
Kälte und Nässe schützen, oder angenehm luftig und kühl sein. Meiner Erfahrung nach sind schon kleine Kinder durchaus aufgeschlossen gegenüber einem Kleidungskonzept, das von unserem heutigen Verständnis
von Kinderkleidung weit entfernt ist, wenn man ihnen erklärt, worum es sich handelt: Um “Geschichte zum Anziehen”. Meist gehen sie mit großer Neugier daran herauszufinden, wie es sich in Holzschuhen
läuft oder wie man in einem Kleidchen klettern kann. Und nicht zuletzt haben sie viel Freude daran nachzuahmen, was sie bei den Erwachsenen sehen, und z.B. selbst auszuprobieren, wie man einen
Kaschmirschal am besten drapiert. Schließlich und endlich hilft es im allgemeinen immens, wenn man die Kinder soweit wie möglich in den Planungs- und Entscheidungsprozeß mit einbezieht.
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Drittens: Sie muß praktisch sein. Außer adäquaten Klima- und Witterungsschutz zu bieten, muß Kinderkleidung auch leicht anzuziehen sein, und reproduzierte historische Kinderkleidung darf da keine Ausnahme
bilden. Weiterhin achte ich besonders bei Kleidungsstücken für Säuglinge oder Kleinkinder darauf, daß dem Windelwechsel oder Töpfensitzen keine unnötigen Hindernisse im Weg stehen. Außerdem verwende ich robuste und
leicht zu reinigende Materialien, damit die unweigerlich im Kinderalltag auftretenden Flecken auch schnell und einfach wieder verschwinden. Und zu guter letzt lege ich alle Schnitte, genau wie bei den Originalen
zu sehen, auf Zuwachs aus, so daß Sie und Ihre Kinder lange, deutlich länger als bei moderner Kleidung, Freude an den Stücken haben werden.
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